Warum liegt mein Pferd so schwer auf der Hand?

Dein Pferd liegt auf der Hand und gibt einfach nicht nach? Womöglich mussten sogar das schärfere Gebiss und die Schlaufzügel schon herhalten, um das Pferd endlich mal durchlässig zu kriegen, aber es wurde sogar noch fester im Maul?

Vorsicht: Tappe nicht in die Falle und werde immer energischer und fange an mehr Kraft einzusetzen. Damit wirst du genau das Gegenteil erreichen. Dein Pferd wird immer noch weniger auf deine Hilfe reagieren. 

Sei dir bewusst, dass du allein dafür verantwortlich bist, wie dein Pferd auf die Zügelhilfe reagiert. Wie kannst du ihm also beibringen, auf eine feine Zügelhilfe nachzugeben? Das Stichwort heißt „Sensibilisieren“. Der Begriff Desensibilisierung ist im Zusammenhang mit Anti-Schreck-Training schon weit verbreitet. Das Gegenteil davon, die Sensibilisierung, ist jedoch nicht weniger wichtig, denn darauf beruht im Grunde der Aufbau aller Reiterhilfen, die ein Pferd lernen soll – Zügel-, Schenkel- und Gewichtshilfen – und steht in engem Zusammenhang mit negativer Verstärkung (Link zum Beitrag). Wenn du das Prinzip der Sensibilisierung konsequent einsetzt, wird dein Pferd auf immer feinere Hilfen reagieren, leichter in der Hand und reaktiver am Bein werden. 

So funktioniert das Ganze: Egal wie fest Dein Pferd sich aktuell macht, beginne jede! Zügelhilfe mit ganz, ganz, ganz wenig Druck. So wenig, dass du dich fragst, ob es deine Hilfe überhaupt spürt und steigere dann nach und nach die Intensität deiner Hilfe. Beginne also ganz langsam damit deine Hand zu schließen und beobachte die Reaktion deines Pferdes. In dem Moment nämlich, in dem es auch nur einen Millimeter nachgibt, machst du deine Hand sofort wieder auf. Also laaaaangsam schließen – schnell öffnen. 

Durch das schrittweise Steigern des Drucks, also dem langsamen Schließen deiner Hand, gibst du deinem Pferd erst einmal wieder die Chance auf eine feine Hilfe zu reagieren. Wenn du nämlich, in der Erwartung dein Pferd reagiert sowieso nicht, direkt mit starkem Druck agierst, bleibt ihr in einem Teufelskreis gefangen. Dein Pferd wird sich nämlich ebenfalls in Erwartung des starken Zügeldrucks festmachen, um bereit zu sein gegenzuhalten, wenn du anfängst die Zügel aufzunehmen. Schließlich ist starker Zügeldruck für das Pferd ganz schön unangenehm und es wird versuchen ihn zu vermeiden. Wenn du also mit einer ganz zarten Hilfe startest und erst allmählich den Druck erhöhst, kann dein Pferd schon auf deine ganz feine Hilfe reagieren, um so stärkeren Druck zu vermeiden. Das Ganze funktioniert natürlich nur, wenn du sofort nachgibst und deine Hand öffnest, sobald dein Pferd nachgibt. 

So kannst du dein Pferd nach und nach wieder auf deine Zügelhilfe sensibilisieren und schon bald wird nur noch dein kleiner Finger nötig sein, um dein Pferd zum Nachgeben zu bringen. 

Hinweis: 

– Nein, du musst nicht bis in alle Ewigkeit deine komplette Anlehnung aufgeben. 

– Ja, ein minimales Nachgeben des Zügeldrucks muss immer auf das Nachgeben deines Pferdes folgen. Es kann aber mit der Zeit so subtil werden, dass es unsichtbar ist und die Anlehnung beibehalten werden kann. 

– Wird der Druck jedoch einfach unverändert aufrecht erhalten, macht aus Pferdesicht nur eines Sinn: entweder den Zügeldruck komplett zu ignorieren und sich auf den Zügel zu lehnen, oder, wenn es zu unangenehm wird und je nach Pferdetyp unterschiedlich, sich dagegen zu wehren – bspw. durch blockieren, rückwärts entziehen, Zügel aus der Hand reißen oder hinter den Zügel gehen/sich einrollen. 

– Die Verwendung von Ausbindern ist, neben vielen anderen Gründen, auch deshalb sowohl beim Reiten als auch beim Longieren nicht sinnvoll.