Wenn du dich jetzt nicht durchsetzt, dann hat er gewonnen!

Was machst du, wenn dein Pferd an der Hallentüre scheut, weil jemand eine Abschwitzdecke über die Bande gelegt hat, und dein Pferd anstatt durch die Ecke zu gehen, jetzt nach innen ausweicht?

Häufig entsteht in solchen Momenten das Gefühl sich durchsetzen zu müssen: „Wenn ich jetzt aufhöre, dann hat er ja gewonnen.“ denkt man sich, das kann man ihm ja nicht durchgehen lassen. Deshalb wird dann versucht das Pferd mit mehr Schenkel- und Zügeldruck auf dem Hufschlag zu halten und zu verhindern, dass es nach innen ausweicht. Häufig endet das in noch mehr Widersetzlichkeit des Pferdes, was wiederum zu noch stärkerer Krafteinwirkung des Reiters führt. Die Schlussfolgerung: mein Pferd ist stur und will testen, wer der Stärkere ist (Link zum Beitrag: Warum ist mein Pferd so stur?). Schon mal so eine ähnliche Situation erlebt? 

ES IST KEIN KAMPF!

Betrachte die Situation einmal aus Pferdesicht: Die Decke auf der Bande ist ihm sowieso schon suspekt, aber vielleicht wäre es bereit sich dieses Ding anzuschauen. Doch als es der Decke näher kommt, fängt sein Reiter an Zügel- und Schenkeldruck zu erhöhen und richtig Druck zu machen, damit es nicht abkürzt oder stehenbleibt. Der für das Pferd unangenehme Druck seines Reiters tritt also in Zusammenhang mit der Decke auf. Durch dieses konsequente Verknüpfung des starken Einwirkens des Reiters mit der Annäherung an und der örtlichen Nähe zur Decke, wird das Pferd jedes Mal in seiner Befürchtung, die Decke verheiße nichts Gutes, bestätigt. Das Pferd assoziiert nämlich den Druck, den es über Zügel, Schenkel, und eventuell sogar Gerte und Sporen fühlt, mit der Decke. War ihm die Decke zu Anfang also nur ein wenig suspekt, ist es sich spätestens nach der dritten Runde mit ordentlichem Krafteinsatz seitens des Reiters nun sicher, dass diese Decke gefährlich ist und wird deshalb noch vehementer versuchen der Decke fernzubleiben. Das ist keine Frage von Aufmüpfigkeit und schon gar kein Kampf, den du gewinnen oder verlieren kannst, sondern logische Konsequenz. Dein Pferd reagiert nur auf das, was du ihm ungewollt vermittelst.  

Es geht auch anders: Du kannst deinem Pferd die Decke an der Hallentüre so präsentieren, dass es sich nicht nur überreden lässt dorthin zu gehen, sondern, dass es sogar dorthin will!  

Zeige ihm die richtige Lösung so, dass es für dein Pferd verständlich ist. Es will nicht zur Decke – ok – reite in die andere Hallenhälfte und arbeite dein Pferd, übe andere Lektionen und vergiss dabei erstmal die Decke. Wenn dein Pferd nun ein paar Minuten gut mitmacht und sich anstrengt, darf es zur Belohnung (!) zur Decke. Du pausierst also dein Training, entspannst dich, und reitest ganz locker Richtung Decke, so nah, wie dein Pferd entspannt hinläuft. Dann lässt du es einfach eine Minute stehen, am langen Zügel und lobst es. Zur nächsten Arbeitsphase reitest du wieder weg von der Decke und zur Pause wieder hin. Nach ein paar Wiederholungen wird dein Pferd schon deutlich lieber Richtung Decke gehen und bald ist die Ecke mit der Decke ihm sogar richtig sympathisch, weil es da immer so entspannt ist und es sich ausruhen darf – der Bereich bei der Decke wird quasi zu seinem Wohlfühlort. Konsequent angewendet führt dieses Prinzip schon bald dazu, dass dein Pferd vor der Decke nicht nur nichts mehr zu befürchten hat – im Gegenteil: es assoziiert die Decke mit Ruhe und Entspannung und geht locker an der Türe vorbei, ohne zu scheuen oder sich zu wehren.

Denk daran: wenn du dein Pferd clever trainierst, geht es nicht nur um die Lösung akuter Probleme, es geht um viel mehr! Denn, außer der Tatsache, dass die Decke bald nicht mehr schlimm ist, lernt dein Pferd in solchen Trainingseinheiten noch etwas viel Wichtigeres: es lernt, dass es dir vertrauen und sich auf dich verlassen kann. Es empfindet dich als kompetent, weil du ihm mit Ruhe und Souveränität erklärt hast, dass es keinen Grund zur Sorge gibt, anstatt es zu etwas zwingen zu wollen. Du hast die Sache im Griff und dir vertraut dein Pferd gerne. Das hat zur Folge, dass dein Pferd sich auch zukünftig, in Situationen, in denen es unsicher ist, mehr an dir orientiert und dir besser zuhört. Du löst damit also nicht nur diese konkrete Situation, sondern schaffst Vertrauen, um alle zukünftigen Situationen, in denen dein Pferd vor etwas Angst hat, leichter meistern zu können.